Viele der Gedichte und Bilder sind entstanden während unserer Sommer in den kanadischen Wäldern. Mit dem 'Waldhaus am See' haben wir uns einen Traum für den Ruhestand verwirklicht. Unsere Empfindungen und Beobachtungen sind hier in Wort und Bild wiedergegeben.

Tautropfen

im Lupinienblatt

funkeln Diamantblitze

Farben

die der Maler sucht

- findet

im Feuerwerk der Lust

Langsames Erwachen

Zärtliches Wiegen

im Frühdämmerschein

Traumbilder schweben

durch Perlmutterlicht

taufeuchte Kühle

streichelt die Haut

noch nicht Erwachen

nicht mehr im Schlaf


Ein Vogelruf, ein Hahn, ein Esel

Menschenstimmen

ein Dorf erwacht und klingt


magischer Augenblick


Leben schimmert flaumfederleicht

wogende Erde

wolkenweich schwebend


noch nicht verletzt

vom Ungestüm des Lichts

Nordische Lichter

Mittsommernacht in Fairbanks


Zur Mitternacht

im Norden glüht der Horizont

vom Sonnenuntergang

noch feurig abendrot

und schon verkündet helles Gold

den neuen Tag

Lichtwinde weben

perlmuttne Seidenschleier


und der Eskimo aus Stein

steht im Gewog

aus Flammenzungen

Lagerfeuer

Am Feuer sitzen

die lodernden Zungen reden hören

und wenn die Flammen sinken

fühlen

wie die Glut pulsiert

Wärme atmet

und im Dunkel erstirbt

Die Wildnis singt

Das ist der Ruf des Loon

am Abend

der hohe Schrei der Wandergänse

in der Nacht

das ist das Knistern eines Feuers

wenn draußen

Nebelrosse lautlos traben

das ist der Schlag von Regentropfen

auf dem Dach

das Lied des Windes

und der Wirbel

von Blitz und Donnerschall

es ist der Puls des Herzens

ein leichter Atemzug

das Leben ohne Zeit

gewachsen aus den Wurzeln

der Vergangenheit

Septembertag

Das Licht blaut anders dieser Tage

ein Hauch von Herbst liegt überm Land

noch hängen Kranichschreie in der Luft

Bäume schlummern

im Duft stehen gebliebener Zeit

Schnee fiel auf die Berge

aus dem Nebel rufen Gänse

rosig färbt der Himmel sich

über Morgennebeln

Akropolis

Seewind schlummert auf den Wellen.

Die Erde atmet heißen Duft.

Bienen summen Celloton.

Schatten kriechen müde heimwärts,

schmiegen sich

eng an Apollos Tempelreste.


Noch schläft Pan!

Wasser

Immer

ist Wasser anders

immer neu

keine Welle gleicht der nächsten

kein Tropfen kehrt zum gleichen Ort


funkelt es heute wie flüssiges Silber

liegt es morgen bleiern grau

abends märchengrün

mit Ringen

wo der Fisch die Fliege fing

und wieder schäumt's

mit weißen Mützen

tobt und gischtet


um sich bald

neu zu sammeln 

blauer Spiegel

in dem weiße Wolken wandern

Dauerregen

Tropfen

klopfen

aufs Dach

rinnen vom Fenster

rieseln

gleich Kieseln

durchs Laub

wie Sand

durchs Gebüsch

bohren Löcher

ins Wasser

sickern ins Moos

peitschen ins Gras

reißen an Blüten


Wind malt Bilder

auf den See

die im Augenblick verwehn

und Tropfen

klopfen

aufs Dach

St. Petersburg

Vor dem Fenster knistert Frost

Schneekristalle

blühen am Forsythienstrauch


Im Laternenlicht

glänzt der schwarze Weg zum Fluss

und Stille fällt

durch Nebel

ins bereifte Gras

... und plötzlich

riecht die Luft nach Herbst


ein zarter Hauch von Nebel

zieht durchs Tal


verhangen steh'n die Berge


leise färbt sich

Baum und Strauch


nach Süden ziehen

Vogelschwärme


in Spinngeweben

hängen Distelsamen


und langsam taumelt

hier und dort

ein Blatt zur Erde

Blaue Blume

Immer wieder

finde ich

die Blaue Blume


im Mai

wenn das Grün erwacht

im Sommer

im reifenden Korn

und noch

wenn leergeträumte Bäume

im eisigen Regen

ihre Reste bewegen

September 2001

Noch einmal diese Stille hören

einmal noch die Augen füllen

mit diesem Blau und Gold

und atmen die Champagnerluft

dies feuchte Moos noch einmal fühlen

mit bloßen Zehen

schmecken die Süße der Frucht


einmal noch träumen

eh' du erwachst

Mond

In den Ästen meiner Tanne

hängt ein halber Mond

geht spazieren auf den Zweigen

schlägt einen Purzelbaum im Wind

fällt in den See

und sitzt schon wieder

auf den Nadeln

Frage

Sag mir, wo du warst?

fragt der Baum den Wind

sag mir, was du sahst?

Wurzeln hab ich

die mich binden

in der Erde gründen

bleiben muss ich immerfort

hier an diesem Ort

Sag mir, wo du warst?


Kann dir nicht sagen

wo ich war

kann dir nicht sagen

was ich sah

ich kann nicht steh'n

muss immer weh'n

muss weiter fort

von Ort zu Ort

Wie wird es sein?

sagte die Bärin

als sie sich im Herbst verkroch


wie wird es sein?

wenn ich erwache

nach den dunklen Monden


Wie wird es sein?

Werden meine Kinder

noch einen Baum finden

auf den sie klettern können

Frau Amsel hat mir geklagt

dass der Sturm

den Efeu von der Hauswand riss

in den sie ihr Nest gebaut


da zeigte ich ihr

die dichten Äste der Fichte

in denen der stärkste Wind

ihr kleines Kinderbett

nur sachte wiegen wird


Jetzt singt ihr Amselmann

jeden Abend

jubilierend

meinen Namen

Einer allein

kann träumen und sinnen

mit dem Werk

seiner kleinen grauen Zellen

Ungeahntes vollbringen

- Flut von Gedanken -

die nur ein Schlaf unterbricht.


Doch schauernd erfühlen

wie unter der Haut

erregend das Leben pulst,

aus zartem Berühren

ein Strom von Wärme fließt,

alles Denken umhüllend,

das können nur zwei!

Das alles gab's einmal

Das gab es einmal

lange Tage voller Leben

wo aus grauen Nebeln

rotglühend

die Sonne auf die Berge stieg

Mittagsruhe im Farn am Bach

blaugoldne Blütenwunder

auf zeitverlorenem Altar

und Abendspiele in den Wellen

bis das Licht in Gold versank

und silbern neu geboren wurde

die Sterne tanzten auf blauem Samt

sich vierfach spiegelten

in wachen Augen

Das alles gab's einmal

eh' die Tage sich verkürzten

und zwischen tun und müssen

nur noch ein Restchen Zeit

für Träume blieb

Draußen stehen sie und warten ...

...       der Herzschlag

                   der aussetzt

          Blutleere im Gehirn

          das langsame Wachsen

                   von etwas Unsagbarem

                   in       Organen

                             Zellen

                   im      Gebein

          ein schleudernder Wagen

                   auf der Straße

          der Verrückte

                   mit Pistole

          ein Erdbeben

                   fallende Mauern

          Flugzeugabsturz

          Feuer im Dunkel



                   Nie glaubst du

                   dass  d i c h

                   dies treffen könnte



manchmal fällt im Sturm

der stärkste Baum im Wald

Innen

Verstehen

ist viel tiefer

als du denkst.


Zu dem Bild

das du siehst

kannst du ja sagen

oder nein


aber du mußt

hineingehen

und dort

tut es weh

Befreit

Erst wenn die Stimmen

stumm geworden

und leis die Laute

die dein Staunen störten


verstehst du


was der Wind auf Wellen schreibt


die zarten Zeichen

grau in blau getuscht

vom Flug der Fledermaus


des Regens rauschend Lied


begreifst und wirst befreit

Warum

fragst du

erinnern wir uns immer

an unsere schwersten Stunden

warum

ist alles Helle

so schnell verweht?


Ich fand nur die Antwort:

die Lust wiegt leicht

sie tanzt durch dein Leben

lässt keine Spuren zurück.


Warum?

fragst du.


Ich weiß es jetzt:

Das Glück wiegt schwer

so schwer wie das Leid

doch schlägt es keine Wunden.

Ertasten musst du

was es dir eingeprägt.

Fliegen?

Immer wieder

stehst du

vor einer Tür


hinaus

in die Weite des Traums?


hinein

in ein enges Muss?


manchmal

sind Stufen

hinter der Tür


hinab

in einsame Kälte?


hinauf

zur Plattform

zum Fliegen?

Lachen

wenn die Freude winkt

weinen

wenn die Tränen steigen


nur

ausgesetzt

dem Augenblick

dem Atemzug

der Zeit


berührt

dass etwas wirkt

         etwas steigt


jetzt

und morgen

vielleicht

wieder

Du musst ertragen

dass dich bei Tag

jemand aus Träumen reißt

wenn du nachts

nicht einsam leiden willst

Danke

Du hast

deine Tage

entgegengenommen

dankbar

die hellen

die dunklen

wie den schwärzesten


jeden

in deinen Händen gehegt

gefüllt mit Liebe

weitergeschenkt

die leichten

die schweren

wie den letzten


keiner ist dir mehr beschieden

deine erfüllten Tage

sind

was uns blieb

28. März 1985

Todestag von Marc Chagall


Gefesselt

in der Heimat der Morgensonne

und frei im Lichtglanz des Mittags


gefesselt

im Glauben der Väter

und frei

im Wissen ums >Kreuz


gefesselt

in der Liebe

und frei im Verstehen


gewandert

über den Regenbogen


vergangen

in mystischem Blau

Einer vor mir

kannte den Hunger

den Hunger

nach mehr als Brot

den Trieb

zu erforschen

was neu


spürte ihn lebenslang

ließ ihn zurück

als er ging

Muttertag 1986

Du bist so klein, mein Kind,

machst erste Schritte

und willst die Welt ergreifen.

Du könntest auf der Wiese spielen

mit Käfern und mit Blumen,

doch ich muss dich auf Armen tragen,

dir wehren, Erde anzufassen,

muss dich beschützen

vor dem Unsichtbaren.


Du bist schon groß, mein Kind,

hast viel gelernt

und bist verliebt.

Du könntest Mutter werden.

Ich kann dich nicht auf Armen tragen,

dich nicht beschützen,

muss mit dir bangen

vor dem Unsichtbaren.

Du kommst zurück

Du kannst die Augen schließen

auf Schlummerflügeln

ins Traumland fliegen

        - du kommst zurück!


Du magst die Koffer packen

und weltrund reisen

zu Fernwehzielen

        - du kommst zurück!


Auch wenn du Schlösser baust

im blauen Mond

mit Sehnsuchtsfenstern

        - du kommst zurück!

Und wenn du Fesseln brichst

aus Engen fliehst

und vor dir selbst

        - du kommst zurück!

Wo ist das Kind

das du im Spiegel gesehen?


Wo ist die Kinderzeit

die Jahre, die du vertan?


Bist in Kreisen gewandert

als Fremder nach draußen

nach drinnen als Gast


und suchst

und suchst

        suchst immer noch


in vollen Tagen

in leeren Stunden


das Erbe

das dir verliehen

Heinrich Böll

Einer wird die Antwort wissen

am Ende seiner Fahrt

wenn der Herr ihn oben fragt

Wo warst du Adam?


Ihm wird verziehen werden

weil er weinen konnte

um andrer Schmerzen willen

und seine Tränen wiegen schwer


Hüten wollte er

das bröckelnde Haus

der Gerechtigkeit


Feinde schuf ihm seine Liebe

Anarchist

der lebte nach den Regeln

jener Predigt vom Berge


Ist's nur der Clown

der Augenblicke sammeln kann

für ein Leben?

Die Tür

Ich hab sie zugedrückt

die Tür zum Gestern

damit keine Zugluft

mein Heute verkühle

doch von Zeit zu Zeit

gehe ich in den Raum

und wische Staub

Ich möchte

die Zeit

in Händen halten


damit ich glauben kann

dass immer

ein morgen kommt


es gibt

zwischen Raum und Zeit

den Ort

wo wir

unsere Träume niederlegen

und sinnen

was hätte sein können

Ich breche durch

Man versucht

mich zu ebnen

glattzustreichen

meine Ecken

meine Buckel

abzuschleifen

aufzufüllen

meine Flecken

zu übermalen

mich schön griffig

zu polieren


Verlorne Liebesmüh!


Ich breche durch!

Lass mich

Wasser bin ich

lass mich fließen

fließen durch das weite Land

füllen deine hohle Hand

wenn du sie zum Becher formst

für die durst'gen Lippen


quellen in den Brunnenschacht

den du gräbst

in deinem Garten


lass mich rinnen

springen

funkeln

kühlend deine Haut umspielen


lass mich ruh'n als stillen See

und im Abendlicht

murmelnd wiegen

in der schilfumstandnen Bucht

unser heimgekehrtes Boot

Herbst

Wenn die Nebel schweben

über gepflügtem Land

schwebe ich mit


wenn die Lerchen steigen

hinauf in fernes Blau

steige ich mit


wenn die Blätter sinken

müde vom Zweig zum Grund

sinke ich mit

Das Gestern

hat mit harter Klinge

seine Spuren

ins Heute gegraben

während ich

atemlos

dem unberührt

neuen

Morgen

entgegenflüchte

Ohne dich

Ich kann träumen

                 ohne dich

        kann vieles tun

                 ohne dich

                 leben

                 ohne dich

aber

ich kann dich nicht lieben

                 ohne dich

Schmetterlinge

im Bauch

sind ausgeflogen

Herz schlägt gemäßigt

Leben

verläuft im Schaukelstuhl


Irgendwo hat sich

noch

ein einsamer Falter

verkrochen

sein Name ist

Hoffnung

Sprach-Los

ist

kein Wort finden

für ...


Abgewürgt

der Überfluss


erstickt

die Fülle


vielleicht

gut so

ein-

silbig


ver-

stum-

men

Post-operativ

Ich habe mich aufgegeben

Paket

am Schalter

freigemacht


man hat mich bearbeitet

transportiert

ausgeliefert


ich habe mich ausgeliefert


erstaunt

dass ich am Ende

gestempelt

und leicht beschädigt

bei mir

angekommen bin